Das pumpende Herz erzeugt Pulswellen, die die Arterien durchlaufen und an die Peripherie des Körpers gelangen. Je nach Gefäßdurchmesser, Elastizität und Entfernung vom Herzen verändern sich die Eigenschaften der Wellen. Der Zustand der Gefäße wiederum wird u. a. durch den Gefühlszustand des Probanten beeinflußt, Spannung und Streß verändern zusätzlich die Pulsschlagzahl.
Durch die Beschleunigung des Blutes am Ausstrom der linken Herzkammer wird dem Körper ein gleich starker Impuls in Gegenrichtung, also ein Rückstoß versetzt. Die ausgestoßene Blutmenge – etwa 100 g pro Herzschlag – hat jedoch im Verhältnis zum Körpergewicht nur eine verschwindend geringe Masse. Auf der Erde ist die resultierende winzige Bewegung des Körpers nur mit sehr empfindlichen Meßgeräten registrierbar. Der Weltraum bietet für solche Messung ideale Bedingungen, da keine federnden oder bremsenden Komponenten die Bewegung des Körpers behindern.
Die Pulsregistrierung wird vorwiegend in der Diagnostik von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt, ist jedoch auch an Gesunden interessant, da sowohl körperliche Belastungen als auch psychische Faktoren zu Veränderungen im Kreislauf führen.
Forschungsziel
Streß und körperliche Belastung lassen sich aus Eigenschaften der Pulswellen bzw. deren Veränderungen beobachten und messen. Untersucht wurden die Regeleigenschaften des Kreislaufsystems bei wechselnden Belastungen.
Aus Rückstoß, der bei einem Herzschlag entstand, und der Masse des Kosmonauten ließ sich das Schlagvolumen des Herzens berechnen. Damit wurden dauernde Informationen über die Füllung und die Kontraktionskraft des Herzmuskels erhalten.
Für das Experiment PULSTRANS wurde gemeinsam mit dem Experiment MIKROVIB die Apparatur KYMO, bestehend aus Sensorweste, Datenerfassung und -aufzeichnung und Ergometer, entwickelt.
Funktionsweise, Meßprinzip
Die Pulsparameter des Kosmonauten wurden im Zustand der Ruhe, unter isometrischer Belastung und im Schlaf gemessen. Bei der Messung des Ruhepulses schwebte der Kosmonaut. Durch die veränderten Schwerebedingungen war Blut von seinen Füßen in den Kopf gestiegen, sein Gesicht und seine Augenlider waren angeschwollen. Zudem veränderte sich Form und Intensität der Pulswellen, insbesondere an der Halsschlagader und am Fuß. Die Meßwertaufnehmer für das Ballistokardiogramm (BKG) wurden jeweils am Hals, an Finger und Fuß angebracht. Dabei wurde der Kosmonaut auch nachts beobachtet, wobei auch die Veränderung biologischer Rhythmen im Zusammenhang mit Ruhe und Erholung untersucht wurden. Neben der Pulswelle erzeugt die Kontraktion des Herzmuskels auch einen mechanischen Stoß. Das sogenannte Seismokardiogramm (SKG) wurde außen an der Brustwand des Kosmonauten gemessen. Vier Mal wurde das Experiment für die Dauer von je 40 Minuten durchgeführt. Zusätzlich wurde der Kosmonaut noch in zwei Nächten während der Schlafpause auf Puls, Seismo- und Ballistokardiogramm gemessen. Im Experimentteil SCHLAF wurde auch die Koordination von Atmung und Kreislauf des Kosmonauten untersucht.
Im zweiten Experimentteil wurde der Puls des Kosmonauten im Belastungszustand gemessen. Der Kosmonaut spannte die Hand isometrisch an hielt sie eine Minute bei 70% der Maximalkraft und entspannte sie wieder. Die Form der Pulskurven wurde dabei erfaßt und einer Frequenzanalyse unterzogen.
Um diese Vorgänge messen zu können, wurden spezielle Sensoren entwickelt, die den verschiedensten Ansprüchen genügen mußten. So sollten sie hochempfindlich und wenig störanfällig sein. Man erwartete, daß sie den Kosmonauten nicht behindern würden, gleichzeitig sollten sie hochflexible und doch reißfeste Kabelanschlüsse haben, möglichst kleine Abmessungen, möglichst geringes Gewicht aufweisen. Zur Erfüllung all dieser Anforderungen wurde eine Sensorweste aus Merinowolle, die Halterungen für die Sensoren waren aus Apfelholz, für die Experimente PULSTRANS und MIKROVIB entwickelt.
Mitverwendete Apparaturen der österreichischen Nutzlast
DATAMIR, KYMO
Ergebnisse
Das Experiment PULSTRANS bestand aus einer Reihe von Funktions- und Belastungstests, die nach einem im Gerät KYMO vorgegebenen Programm durchgeführt wurden. Als erstes war ein Gravitationstest mit verschiedenen Armstellungen vorgesehen. Das Ergebnis: Das Heben des Armes, das auf der Erde zu einem Absinken der Pulswellengeschwindigkeit führt, zeigt in der Schwerelosigkeit keine entsprechenden Auswirkungen. Der Einfluß der Gravitation auf diesen Parameter ist damit nachgewiesen. PULSTRANS hat noch eine Reihe von weiteren interessanten Informationen über Veränderungen des Gefäßtonus in der Schwerelosigkeit geliefert. Während sich die Wandspannung der arteriellen Gefäße der unteren Körperhälfte beträchtlich verringert, steigt sie in der oberen Körperhälfte an. Der periphere Gefäßwiderstand ist im Flug vermindert. Die Eigenschaften des Arteriensystems beeinflussen die Gestalt und die Ausbreitung der Pulse. Sowohl die Messung der Pulswellengeschwindigkeit als auch die Analyse der Pulsformen und der Pulsumformung können zur Charakterisierung des Kreislaufzustandes herangezogen werden.
Die folgenden fünf Tests dienten zur Untersuchung der Reserven des Herz-Kreislaufsystems:
- Test mit Atemanhalten beim Ein- und Ausatmen, der eine abwechselnde Volumsvergrößerung der rechten und linken Herzkammern bewirkt
- Valsalva-Versuch (tief Atem holen und pressen)
- Müller-Versuch (Luft ansaugen bei geschlossenem Kehlkopf)
- statischer isometrischer Belastungstest
- dynamischer Belastungstest
Die wichtigsten Ergebnisse: Die erhöhte Blutfüllung des kleinen Kreislaufes in der akuten Anpassungsphase an die Schwerelosigkeit erschwert die normale Reaktion des Herzmuskels auf die Veränderungen des Zu- und Abflusses von Blut, der durch Atemanhalten bzw. starkes Pressen hervorgerufen wurde. In dieser Phase ist in Ruhe ein Ansteigen der allgemeinen Herzarbeit (die Amplitude des Seismokardiogramms vergrößert sich) und eine Zunahme der externen Arbeit (an der Amplitude des Ballistokardiogramms erkennbar) zu verzeichnen. Das starke Absinken der Amplitude des BKG bei der Durchführung des isometrischen Tests in den beiden ersten Flugtagen ist als ungünstiges Zeichen zu werten. Es läßt auf die hohe Empfindlichkeit der Arbeitskraft der Herzmuskulatur gegenüber der Herzfrequenzerhöhung schließen. Der Valsalva-Versuch zeigte am sechsten Flugtag eine positive Reaktion des Herzmuskels, was auf ausreichende funktionelle Reserven schließen läßt. Bei entsprechender Standardisierung könnte dieser Versuch nach Meinung der russischen Partner zur Verlaufskontrolle der Entlastung des kleinen Kreislaufes während der Anpassung an die Schwerelosigkeit empfohlen werden.
Generell konnte eine Erhöhung der BKG und SKG Amplitude während des Fluges festgestellt werden. Dies spricht für ein erhöhtes Schlagvolumen, was einerseits durch die Verringerung der Herzfrequenz während des Fluges, andererseits durch die erhöhte Kontraktionskraft des Herzmuskels zu erklären ist. Die Amplitude des EKG-Signals erhöhte sich im Ruhezustand ebenfalls beträchtlich. Damit konnte eine Lageänderung der Herzachse während des Fluges beobachtet werden.
Die Herzfrequenz ist im Flug generell vermindert, die Selbstregulatian des Herzens verstärkt. Mit Hilfe der Herzfrequenzanalyse konnte auch der Einschlafprozeß des Kosmonauten beobachtet werden. Während der akuten Adaptationsphase wurde eine erhöhte Aktivierung bestimmter Hirnzentren registriert. In der Anfangsphase der Adaptation an die Schwerelosigkeit wurde auch in der Nacht eine erhöhte Intensität der Kreislauffunktion beobachtet, die sich durch einen Anstieg der Amplituden von Seismo- und Ballistokardiogramm sowie durch die Stabilisierung der Herzschlagintervalle und der Pulswellenlaufzeit äußert.
Praktische Anwendung
Anwendungsgebiete
- Vorsorgemedizin
- nichtinvasive Diagnostik in der klinischen Kardiologie
- Arbeits- und Sportmedizin
- Streßforschung
- Kurmedizin
- Herz- und Kreislaufphysiologie, Grundlagenforschung
Anwendungsziele
- Neue Kontroll- und Frühdiagnosemethoden in der Kreislaufforschung
- Diagnostik bei Störungen des vegetativen Systems (bei vegetativen Fehlsteuerungen, SIDS-Risiko, Diabetes
- Streßforschung: Einfluß psychischer Faktoren auf Herz und Kreislaufsystem
- Beurteilung der Belastung des vegetativen Nervensystems am Arbeitsplatz
- Überwachung von Rehabilitationsmaßnahmen, Kurerfolg
- Sportmedizin: Prüfung und Kontrolle des Herzens und des Gefäßsystems bei Sportlern, Empfehlung für Mannschaftsauswahl
An der Nutzung der Experimentergebnisse direkt interessierte Institutionen
- Physiologisches Institut der Universität Graz
- Institut für biomedizinische Probleme, Moskau
- Institut für Arbeitsphysiologie und Rehabilitationsforschung, Universität Marburg, Deutschland
- Institut für Biophysik und Bioengineering, University of Pennsylvania
- Medizinische Akademie Dresden, Deutschland
- Universitätsklinik für Psychiatrie, Graz
- „M.F. Wladimirskij“ Institut für klinische Forschungen des Moskauer Gebietes
Technische Daten
Die Apparatur PULSTRANS bestand aus folgenden Einheiten
Aluminiumcontainer mit Schaumstoffauskleidung
- Gerät KYMO
- Kabel KYM1 (Spannungsversorgung)
- Kabel KYM2 (Verbindung KYMO – DATAMIR)
- Sensorweste mit
Vibrostimulator
Akzelerometer (2 Stück)
Pulssensoren (3 Stück)
EKG – Kabel
Vorverstärkereinheit - Handergometer
- Zubehörsets für Experiment MIKROVIB (2 Stück)
Kleberinge (3 Stück), Klebeplättchen (6 Stück)
Reinigungstücher (2 Stück), EKG – Elektroden (3 Stück) - Zubehörsets für Experiment PULSTRANS (2 Stück)
Kleberinge (3 Stück), Klebeplättchen (6 Stück)
Reinigungstücher (2 Stück), EKG – Elektroden (3 Stück) - Zubehörsets für Experiment SCHLAF (2 Stück)
Kleberinge (3 Stück), Klebeplättchen (6 Stück)
Reinigungstücher (2 Stück), EKG – Elektroden (3 Stück) - Befestigungsvorrichtungen für Pulssensoren (3 Stück)
- Klebestreifen zur Befestigung von Vibrostimulator
und Akzelerometer auf der Haut der Versuchsperson - Schablone zur standardisierten Befestigung von
Vibrostimulator und Akzelerometer auf der Haut der Versuchsperson - Reservesicherungen
Masse: | max. 6,2 kg |
Abmessungen: | 350 mm x 350 mm x 140 mm |
Leistungsaufnahme: | max. 35 W |
Experimentatoren
o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Kenner (Institutsvorstand)
Univ.-Doz. Dr. Maximilian Moser (Projektverantwortlicher)
Dipl.-Ing. Dr. Eugen Gallasch
Dipl.-Ing. Dietmar Rafolt
Dipl.-Ing. Günther Jernej
Josef Hindinger
Dr. Elisabeth Moser-Kneffel
Erich Maier
Dipl.-Ing. Günther Griessmayr
alle: Physiologisches Institut der Universität Graz