Experiment DATAMIR


DATAMIR ist ein Computersystem zur Erfassung und Aufzeichnung von Daten der medizinischen und physikalischen Experimente im Projekt AUSTROMIR 91. Während die Raumstation in ca. 90 Minuten die Erde einmal umkreist, gibt es zwischen dieser und dem Flugleitzentrum (ZUP) bei Moskau nur etwa zehn bis fünfzehn Minuten Telemetriekontaktzeit. Ingesamt konnten deshalb während des Flugs nur zehn bis fünfzehn Prozent der Daten sozusagen on-line zur Erde gesandt werden, ausreichend, um den Experimentatoren eine Art begleitende Kontrolle der Experimente zu ermöglichen. Die Experimentatorendaten wurden alle an Bord gespeichert, pro Tag zweimal auf Magnetband gesichert. Diese Magnetbänder kamen zum Missionsende mit dem Kosmonauten zurück auf die Erde.

Ein Industriegerät des Typs IBM/AT mußte zu einem Bordcomputer für die Raumstation MIR umgebaut werden, um den Großteil der AUSTROMIR-Experimente zu steuern, sämtliche Experimentdaten aufzuzeichnen und den Kosmonauten die nötigen Instruktionen, Skizzen und Checklisten für die Vorbereitung der Experimente zu liefern. Der Bordcomputer übermittelte schon während der Mission Experimentdaten über zwei vorhandene Telemetriesysteme der Raumstation an die Bodenstation.

Anforderungen

Die mechanischen Beanspruchungen eines Raketenstarts sind so groß, daß sich dabei ein „normaler“ Computer in seine Bestandteile auflösen würde. Das Entwicklungsteam mußte also nicht nur die gesamte Software schreiben, sondern auch die Hardware für Weltraumbedingungen adaptieren. Das Computergehäuse, in dem sowohl das System DATAMIR als auch spezielle Experimentmodule untergebracht waren, wurde mit Schwingungsdämpfern in einem speziellen Transportrahmen aufgehängt. Die Festplattenmodule wurden getrennt von der Zentraleinheit in einem Spezialbehälter transportiert.

Sicherheit und Zuverlässigkeit hatten bei der Entwicklung erste Priorität, da die erfolgreiche Durchführung der meisten Experimente vom Funktionieren des Bordcomputers abhing. Für fast alle Bestandteile war ein Ersatzteil an Bord der Raumstation vorrätig.

DATAMIR war eine besondere Herausforderung. Der Entwicklungsauftrag war von mehreren Industriebetrieben mit dem Hinweis abgelehnt worden, ein so kompliziertes Projekt würde fünf Jahre benötigen und nicht unter 50 Millionen Schilling kosten. Die Forschungsgesellschaft Joanneum Research m.b.H. übernahm auf Ersuchen des Wissenschaftsministeriums den Auftrag und in nur zwei Jahren wurde DATAMIR um 13 Millionen Schilling als experimentelle Einheit entwickelt. Für die beteiligten Wissenschaftler und Techniker war es allerdings eine tour de force. Sie waren das letzte Glied in der Kette und bei jeder Verzögerung in den Vorbereitungsarbeiten für ein von DATAMIR gesteuertes Experiment gerieten sie in der Folge unter enormen Zeitdruck. So wurde die endgültig letzte Version der Software erst mit Franz Viehböck zur Raumstation gebracht.

Eingesetzt zur Steuerung und zur Datenaufzeichnung bei der Durchführung der österreichischen Experimente:

AUDIMIR, MONIMIR, OPTOVERT, MIKROVIB, PULSTRANS, MOTOMIR, COGIMIR, LOGION, MIGMAS-A

Ergebnisse

Alle von DATAMIR unterstützten Experimente konnten wie geplant vollständig durchgeführt werden. Die Daten, fast 72 Millionen Bytes, wurden auf acht Streamerkassetten gespeichert zur Erde zurückgebracht.

Franz Viehböck und die Zentraleinheit DATAMIR während der AUSTROMIR-91 Mission. Foto: BMBWK, Wien

Einzelne Programmfehler, die während des Flugs auftraten, konnten noch während der Mission beseitigt werden. Ernstere Zwischenfälle gab es bei der Dekodierung der Telemetriedaten infolge von Störungen im Übertragungssystem. Durch Modifikationen an der Software konnten die Fehler vollständig kompensiert werden. Trotz dieser nicht vorhersehbaren Probleme erhielten alle Experimentatoren ausreichende Information, um schon während des Flugs die Qualität der Experimentdurchführung beurteilen zu können.

Durch den Einsatz von DATAMIR wurde der Zeitaufwand für die Durchführung der einzelnen Experimente minimiert und eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen in relativ kurzer Zeit durchgeführt. Im Vergleich zu früheren Missionen an Bord der Raumstation MIR hält AUSTROMIR den Rekord in der Relation zwischen aufgewendeter Zeit und erbrachten Leistung.

Praktische Anwendung
Anwendungsgebiete
  • Experimentelle und klinische Medizin
  • Industrie- und Weltraumtechnik
Anwendungsziele
  • Automatisierung von klinisch-physiologischen Untersuchungen und industriellen Prozessen
An der Nutzung der Experimentergebnisse direkt interessierte Institutionen
  • Institut für Angewandte Systemtechnik, Joanneum Research, Graz
  • Institut für biomedizinische Probleme, Moskau
  • „J.A. Gagarin“ – Kosmonautenausbildungszentrum (KAZ) in Svjosdnyj Gorodok bei Moskau
Technische Daten

Das System bestand aus folgenden Einheiten:

Zentraleinheit

Die Zentraleinheit basierte auf einem Industriecomputer des Typs IBM/AT und besaß folgende technische Hauptkenndaten:

  • Mikroprozessor:80C286
  • Taktfrequenz: 10 MHz
  • RAM: 640 kByte
  • ROM: 32 kByte
  • Floppy-Disk: 720 kByte
  • Streamer: 40 MByte
  • Digitale Schnittstellen:
    seriell 4 Kanäle
    parallel 1 x 16 Bit
    Interface zum Bordtelemetriesystem BITS
    Interface zum Bordtelemetriesystem STRELA
  • Analoge Eingänge: 16 Kanäle, +10 V
  • Überlastungsschutz: Schmelzsicherung 6,3 A
  • Bedienelemente:
    Netzschalter
    Umschalter für Festplatten
  • Anzeigeelemente:
    Netzkontrollanzeige
    Betriebsanzeige für Floppy-Disk
    Betriebsanzeige für Festplatte (2 Stück)
    Betriebsanzeige für Streamer
    Kontrollanzeige für Prozessorversorgung (+ 5 V)

Zum Transport auf die Raumstation MIR wurde die Zentraleinheit mit einem vibrationsdämpfenden Transportrahmen versehen. In die Zentraleinheit DATAMIR waren die Elektronikbox MONIMIR, die Elektronikbox AUDIMIR und der Versorgungsblock OPTOVERTeingebaut.

Masse: (Transportkonfiguration)
(Betriebskonfiguration)
max. 24,0 kg
max. 22,0 kg
Abmessungen: (Transportkonfiguration)
(Betriebskonfiguration)
552 mm x 320 mm x 432 mm
470 mm x 280 mm x 362 mm
Die Zentraleinheit DATAMIR mit allen Kabeln, Laufwerken, Streamer-Kassetten usw. Foto: BMBWK, Wien
Blockschaltbild des Zentralcomputers DATAMIR. Grafik: BMBWK, Wien
Aluminiumcontainer mit folgenden Systenkomponenten
  • Bedienungseinheit bestehend aus Monitor (monochrom, 640 x 350 Pixel) und Tastatur (deutsch – russisch)
  • Kabelsatz (4 Kabel)
  • Diskettensatz in Stoffhülle (6 Disketten)
  • Streamerkassettensätze in Stoffhüllen (2 Sätze mit je 6 Kassetten)
  • Reservesicherungen
Masse: max. 10,0 kg
Abmessungen: 470 mm x 120 mm x 350 mm
Festplattenmodule

Zwei Festplattenmodule (je 20 MByte) wurden in dämpfenden Schaumstoffverpackungen mit Stoffhüllen zur Raumstation MIR transportiert und erst dort in die Zenraleinheit eingebaut.

Masse: max. 1,5 kg
Abmessungen: 140 mm x 200 mm x 330 mm

Der Gesamtleistungsverbrauch von DATAMIR betrug max. 80W.

Zur Erhöhung der Redundanz wurde ein Satz DATAMIR – Ersatzteile bestehend aus folgenden Komponenten in den Lieferumfang aufgenommen:
  • Videokarte
  • Analog / Digitalwandlerkarte
  • Serielle Schnittstellenkarte
  • Parallele Schnittstellenkarte
  • Prozessorplatine
  • Streamer / Floppy-Disk – Einheit
  • Schmelzsicherungen 6,3 A (10 Stück)

Diese Ersatzplatinen wurden einzeln in antistatische Foliensäcke und gemeinsam in eine Stoffhülle verpackt.

Masse: max. 4,9 kg
Abmessungen: 320 mm x 320 mm x 200 mm

Dem Ersatzteilsatz wurde ein zusätzliches Festplattenmodul mit Transportverpackung beigefügt.

Masse: max. 1,5 kg
Abmessungen: 140 mm x 200 mm x 330 mm

Der Transport der Ersatzteile zur Raumstation MIR erfolgte gemeinsam mit der Apparatur DATAMIR im Lastentransporter Progress M-9.

Retourlast
  • 2 Streamerkassettensätze in schaumstoffgedämpften Stoffhüllen mit je 6 Kassetten
Masse: max. 750 g
Abmessungen: 117 mm x 107 mm x 87 mm
Experimentatoren

o.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. DDr. Willibald Riedler (Institutsvorstand)
Dipl.-Ing. Manfred Steller (Projektverantwortlicher)
Dipl.-Ing. Thomas Stockhammer
Dipl.-Ing. Paul Willière
Dipl.-Ing. Christian Wagner
Anton Wenzel
alle: Institut für Angewandte Systemtechnik, Forschungsgesellschaft Joanneum Ges.m.b.H, Graz